Autor: Paul Simek | |||
keywords: #Kredit #Sparen #Geldschöpfung #Mindestreserve | |||
Ein Betrunkener sucht unter einer Straßenlaterne seinen Schlüssel. Ein Passant hilft ihm. Nach einer Weile will der Passant wissen, ob der Mann sicher sei, den Schlüssel hier verloren zu haben. Der antwortet: „Nein, nicht hier, sondern dort hinten – aber hier ist es viel heller.“
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Motto |
Gibt es in der unbelebten Natur etwas, das den Menschen zum Lachen bringt? Kaum. Bringt es den Menschen zum Lachen, wenn er die Pflanzen- und Tierwelt beobachtet? Eher selten. Worüber lacht der Mensch normalerweise? Er lacht dann, wenn er eine Dummheit bei seinen Mitmenschen ausmacht, besonders dann, wenn er diese Dummheit – bewusst oder unbewusst – bei sich selbst ahnt. Auch in unserer lustigen Geschichte oben wird die menschliche Dummheit ausgelacht. Es ist eine Dummheit von der Art, bei der ein Mensch ein real existierendes Problem mit einer völlig falschen Methode zu lösen versucht. Diese ist aber noch nicht die dümmste die es gibt, weil hier zumindest das Problem selbst noch richtig erkannt worden war. Zur menschlichen Dummheit, oder milder ausgedrückt zur Unfähigkeit, Probleme zu lösen, gehört auch der Fall, dass man anstelle eines echten ein falsches Problem zu lösen versucht. Solche Probleme bezeichnet man als Pseudoprobleme. Nebenbei bemerkt beanspruchen diese Bezeichnung die Gebildeten und „Experten“ für ihre eigenen Irrtümer, während sie anderen, wenn diese sich auf die gleiche Weise geirrt haben, gerne Inkompetenz oder schlichte Dummheit unterstellen. Das entspricht dem uralten Prinzip: Quod licet Iovi, non licet bovi.
Besonders fatale Auswirkungen haben die Versuche ein falsches Problem zu lösen immer dann, wenn der irrende Mensch sich nicht vorstellen kann oder nicht wahrhaben will, dass er sich irrt. Dann sucht er einen Schuldigen, der angeblich seine Mühe zunichte macht. Dieser ist dann der Bösewicht, der beseitigt werden muss. Kein Wunder also, dass die Geschichte ein „Schlachthof“ ist, wie es der berühmte deutsche Philosoph Hegel ausdrückte. Ein anderer großer Denker, Hobbes, sprach vom Krieg aller gegen alle. Hobbes – der sich wie kein anderer für die geistige Wende am Anfang der Moderne verdient gemacht hat – lieferte bei seiner Untersuchung des Problems von Ursache und Wirkung eine vollständige Antwort darauf, warum die Menschen immer wieder falsche Probleme für richtige halten:
„Unkenntnis der entfernteren Ursachen bewirkt, dass man alle Ereignisse den unmittelbar wirkenden Ursachen zuschreibt, weil man keine anderen sieht.
Ist man mit den natürlichen Ursachen der Dinge nicht bekannt, so entsteht daraus Leichtgläubigkeit, die oft so weit geht, dass man auch sogar Unmögliches glaubt.“
Thomas Hobbes, Leviathan, S. 98.
Wenn der irrende Mensch eine unmittelbar erkennbare Tatsache für die erste und endgültige Ursache hält, wie würde er dann die periodischen Krisen der Marktwirtschaft deuten? Er würde zuerst korrekt feststellen, dass die Wirtschaftskrisen mit großen Problemen im Finanzsektor beginnen. Das ist eine schon längst bekannte Tatsache. So war es auch bei der Großen Depression. Zuerst – am Schwarzen Freitag, dem 25. Oktober 1929 – kam es zu einem rasanten Kurssturz der Aktienwerte. Da die Verwalter und auch vielfach Besitzer der Aktien die Banken sind, zog der Kursverfall den ganzen Bankensektor mit sich in den Abgrund. Das alles waren Vorgänge, die sowohl leicht beobachtbar waren als auch viele Menschen direkt betrafen, so dass für den unvorsichtigen Verstand alles darauf hindeutete, dass hier schon die ganze Erklärung für die Krisen des Kapitalismus zu finden sei. Die Antwort fiel dementsprechend eindeutig aus: Die kriminellen Bankiers und Börsianer sind das Böse, das die sonst gute kapitalistische Ordnung immer wieder zum Einsturz bringt. Als man diesem falschen Weg folgte, stieß man auf etwas, was dem erhitzten Kopf gleich die nächste falsche Schlussfolgerung entspringen ließ, nämlich die Tatsache, dass Juden in den Berufen, die mit Geldgeschäften zu tun haben, überproportional vertreten waren. So ist es den Faschisten gelungen, die „bösen Juden“ für das ganze Übel der Welt verantwortlich zu machen. Deshalb ist es sehr treffend, den Faschismus als Rettung des Kapitalismus auf Kosten der Juden zu bezeichnen. Weil es sich hier um eine falsch bestimmte Ursache handelt, aus der ein Pseudoproblem formuliert wurde, sagt man mit Recht, dass der Faschismus der „Antikapitalismus der dummen Kerle“ (August Bebel) ist. Die deutschen Ordoliberalen haben nicht die Juden für die Probleme des Kapitalismus beschuldigt, aber auch sie hielten die freie Marktwirtschaft für uneingeschränkt funktionsfähig. Sie haben fälschlicherweise die fehlerhafte Finanzpolitik und damit den Staat an den Pranger gestellt, so dass man auch ihre „Soziale Marktwirtschaft“ als Alternative zum althergebrachten Kapitalismus als einen Antikapitalismus der dummen Kerle bezeichnen kann.
Die Wirtschaftskrise, in der wir uns befinden, begann auch als – im Herbst 2008 – die Börsen und danach die Banken und schließlich der gesamte Finanzsektor zusammenbrach. Dem einfachen Menschenverstand, der die unmittelbar erkennbare Tatsache für die Ursache hält, fällt – wieder einmal – nichts anderes ein, als beim Finanzsektor die Quelle aller Übel zu suchen. Weil man aber zumindest in Europa die Juden fast vollständig umgebracht und vertrieben hat, ist es heute undenkbar, ihnen noch einmal die Schuld in die Schuhe zu schieben. Man muss sich aber dadurch trotzdem nicht unbedingt davon abbringen lassen, die Ursache für das Versagen des Kapitalismus bzw. der freien Marktwirtschaft im Finanzsystem suchen zu wollen.
Einen „streng wissenschaftlichen“ Beweis, dass das Geld die Ursache aller Probleme der Marktwirtschaft sein müsse, meinte der marktradikale amerikanische Ökonom Irving Fischer (1867-1947) gefunden zu haben. Seine „Entdeckung“ ist bis heute die Blaupause für allerlei unsinnige „Theorien“ über die Funktionsweise des Finanz- und Geldsystems. Fisher meinte herausgefunden zu haben, dass Bankiers – in Amerika fragte man nicht danach, ob sie Juden sind – gemeine, aber sehr raffinierte Geldfälscher sind. Seine heutigen Nachfolger benutzen freundlichere Ausdrücke und sagen, dass die Banken das Giralgeld „aus dem Nichts schöpfen“. Im Folgenden werden diese Nachfolger Fishers als Geldkreationisten bezeichnet. Fisher hat sich auch ausgedacht, wie er den Geldfälschern das Handwerk legen kann, und zwar mit einer 100%-Money-Vorschrift für Bankkredite. Die heutigen Geldkreationisten haben das abgekupfert, so dass es angebracht ist, sich mit dem Ursprung der Idee kurz zu befassen.
Irving Fischer: Wie Banken Geld fälschen und was 100%-Money bringen soll
Ein paar Worte über Fischer sind angebracht, damit man eine grobe Vorstellung von seiner wirtschaftstheoretischen Orientierung bekommt. An erster Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass er ein Verfechter der völlig freien Marktwirtschaft war. Er war auch ein leidenschaftlicher Mathematiker, so dass für ihn das Modell des allgemeinen Gleichgewichts von den Dampflokingenieuren Walras und Pareto als der Weisheit letzter Schluss galt. Dieses Modell leitete bekanntlich eine große Wende in der liberalen Markttheorie ein. Mit ihm ist es den neuen marktradikalen und sozialdarwinistischen Liberalen endlich gelungen, den klassischen progressiven Liberalismus hinter sich zu lassen.
Das Modell von Walras und Pareto gilt als das sogenannte Referenzmodell der ganzen neoklassischen, heute sagt man üblicherweise der neoliberalen ökonomischen Theorie. Mit ihm wird angeblich mathematisch streng und endgültig nachgewiesen, dass die freie Marktwirtschaft, sollte sie durch irgendwelche externen Einflüsse überhaupt einmal aus dem Gleichgewicht geraten, ganz von alleine und sehr schnell zurück ins Gleichgewicht kommen würde. So etwas wie eine Wirtschaftskrise kann der freien Marktwirtschaft schon gar nicht passieren. Mit dieser Überzeugung hat Fisher sein Geldvermögen in Aktien investiert, weil er noch wenige Tage vor dem Börsencrash am Schwarzen Freitag fest davon überzeugt war, dass die „Aktienkurse ein – wie es scheint – dauerhaft hohes Niveau erreicht haben.“ Dumm gelaufen, kann man da wohl sagen. Auf einen Schlag hat er alles verloren. Wie jedoch bekannt ist, können Tatsachen einen neoliberalen Ökonomen nicht beeindrucken, geschweige denn seinen Glauben an den freien Markt in Zweifel ziehen. Auch nach seiner persönlichen Katastrophe konnte Fisher einfach nicht davon lassen, sich immer weiter zum Narren zu machen. Noch monatelang hat er mit seinem ganzen Renommee als großer Wirtschaftswissenschaftler den Investoren versichert, die Wirtschaft stünde kurz vor einer kräftigen Erholung. Nur ein Bisschen mehr Realitätsfremdheit würde eigentlich schon eine psychologische Behandlung erfordern – allerdings gelten in der Wirtschaftswissenschaft bis heute noch andere Maßstäbe. Es verwundert nicht, dass eine solche „Kapazität“ wie Fisher ein Unterstützer und Berater des damaligen konservativen und marktradikalen Präsidenten Herbert Hoover war. Fügen wir noch hinzu, was Hoovers Finanzminister Mellon damals zur Krise zu sagen hatte.
„Sie wird die Fäulnis aus dem System waschen. Hohe Kosten für die Lebenshaltung und hohe Lebensstandard werden herunter kommen. Leute werden härter arbeiten, ein moralisches Leben führen. Werte werden gesetzt und unternehmende Leute werden aufsammeln, was die weniger fähigen Leuten zurück lassen.“
Man kann sich fragen, wie ist es ihm nur gelingen konnte, die ganze neoliberale Überheblichkeit, Dreistigkeit und Rücksichtslosigkeit in so wenige Worte zu fassen. Das Wort „waschen“ passt auch gut zu Fisher. Vor der Großen Depression hat sich der große Ökonom leidenschaftlich dafür eingesetzt, den Arbeitern den Alkohol zu verbieten und ihnen persönliche Hygiene anzuordnen. Man kann sich schnell denken warum. Die nüchternen und gesünderen Arbeiter kann man eben noch besser ausbeuten. Aber kommen wir zurück zu Fishers ökonomischen Irrungen und Wirrungen.
Weil seinen fanatischen Glauben an die Marktkräfte nichts erschüttern konnte, mussten seine persönlichen Geldverluste Fisher besonders stark zur die Suche nach ominösen kriminellen Kräften im Finanzsystem abgestachelt haben. Um das Pseudoproblem, in das sich Fisher verrannte, einfacher zu erklären, ist es angebracht die drei verschiedenen Arten von Geld getrennt zu behandeln, und zwar in ihrer historischen Reihenfolge. Zuerst galt als Geld (1) Gold, dann (2) Papiergeld und schließlich kam (3) Giralgeld.
1: Geld als Gold und der böse Florentinische Goldschmiede
Das Geld war ursprünglich ein Ding, wie etwa Muscheln, Ochsen, Perlenschnüre, Silber und Gold. Mit großem Abstand war aber Gold das Wichtigste Ding-Geld. Um die angeblichen kriminellen Machenschaften der Bankiers, ihre geheime Verschwörung gegen den ach so perfekten und unschuldigen Kapitalismus zu entlarven und zu verdeutlichen, benutzte Fisher diese älteste Art von Geld: Gold. Das hier dargestellte Problem sollte für alle Arten von Gold gelten und die für diese Art Geld von ihm gefundene Lösung sollte auch überall sonst das Problem aus der Welt schaffen. Diese Lösung heißt 100%-Money, wie der Titel seines Buches.
Das Buch 100% Money and the Public Debt von 1936 wurde von vielen belächelt, die heutigen Geldkreationisten sehen aber in ihm die Erklärung und die Lösung alle Probleme der Marktwirtschaft. Der Held bzw. der Schurke in diesem Buch ist ein mittelalterlicher Florentinischer Goldschmied. Nebenbei bemerkt, kann man sich diesen Goldschmied zugleich auch als Erfinder des Papiergelds vorstellen – was noch ein guter Grund ist, über ihn zu reden. Heben wir aber gleich hervor, dass Fisher nicht ein echtes historisches Ereignis im Sinne hat, das will ihm keiner unterstellen, es geht nur um eine Geschichte, mit der er etwas auf anschauliche Weise erklären will.
Bevor der Goldschmied damals, vor Jahrhunderten, auf seine kriminelle Idee kam, war er ein ehrlicher und höchst angesehener Bürger und Handwerker, der weit und breit uneingeschränktes Vertrauen genoss. Er hat aus Gold schönen Schmuck gemacht. Die andere Verwendung des Goldes damals war die, es als Zahlungsmittel zu benutzen – also als Geld. Es war aber unpraktisch, das Gold immer mit sich zu schleppen, und darüber hinaus auch riskant. Vor allem größere Mengen Gold konnte man nicht vor den wachen Augen der Straßendiebe und Waldräuber verbergen. Und auch noch etwas kommt dazu: Von einem gestohlenen Stück Gold lässt sich natürlich nicht sagen, ob es rechtmäßig eigentlich jemand anderem gehörte.
Der Goldschmied hat eines Tages seinen Mitbürgern einen in der Tat sehr vernünftigen Vorschlag gemacht: Sie sollten das Gold in seinem Tresor verwahren, er würde ihnen Zertifikate schreiben, als Bestätigung, dass sie den darauf notierten Gegenwert in Gold wirklich besitzen. Die Menschen fanden diese Idee gut und ließen sich überreden. Nun hat man seitdem Waren und Dienstleistungen mit den Zertifikaten, also mit Papiergeld bezahlt. Jeder, der sein Gold wiederhaben wollte, erschien beim Goldschmied, der ihm dann gegen das Zertifikat das Gold aushändigte – nachdem er die vereinbarte Schutzgebühr bezahlt hatte.
Fassen wir nun das Wichtigste kurz zusammen: Die entscheidende Eigenschaft der Zertifikate des Florentinischen Goldschmieds – man kann sie auch als Geldscheine betrachten – war ihre volle Golddeckung: also eine 100%ige Deckung. Es handelte sich dabei um 100%-Money.
Jetzt kommt der wichtigste Teil der Geschichte. Weil die Menschen die Idee, mit den Zertifikaten zu bezahlen, so gut fanden, sammelten sich beim Goldschmied immer größere Mengen von Gold. Und es glitzerte und strahlte verführerisch. Irgendwann konnte nicht einmal eine so ehrliche Haut wie der Goldschmied dieser Versuchung widerstehen. Auch er war freilich nur ein mit der Last der Erbsünde geborener Mensch. Er begann mehr Zertifikate auszugeben, als er Gold in seinem Tresor hatte. Er schenkte diese seinen Freunden und Verwandten – und auch er selbst zahlte immer mehr mit solchen falschen Zertifikaten. Das Papiergeld des Goldschmieds war also nicht mehr vollständig gedeckt. Hätte der nominale Wert der Zertifikate den Wert der Goldvorräte um das Doppelte überstiegen, hätten wir dann – um mit Fisher zu sprächen – 50%-Money.
Die Menschen konnten den Schwindel nicht rechtzeitig entdecken, weil der Goldschmied verpflichtet war, niemandem zu verraten, wer ihm das Gold anvertraute und wie viel. Aber ein dummer Zufall ließ die Geldfälschung auffliegen. Völlig unerwartet kam nämlich eines Tages ein Kunde zum Goldschmied, der bei ihm eine sehr große Goldmenge aufbewahrte und sofort alles abheben wollte. Die Goldmengen im Tresor vom Goldschmied haben aber nicht dafür ausgereicht. Diese Meldung hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet und was danach geschah, kann man sich gut ausmalen. Ja, die Geschichte nahm ein böses Ende.
Heben wir noch einmal ausdrücklich hervor, dass es jetzt nicht darum geht, ob diese Geschichte historisch real ist. Es geht nur darum zu verstehen, wie Geld gefälscht werden kann, wenn es nicht aus Gold ist. Kein Wunder, dass die Markttaliban beim Gold landen: Wie etwa Hayek und Röpke. Wenn man nicht so weit geht, müsste man für die 100%ige Deckung des Papiergelds sorgen: Das wäre die 100%-Money-Lösung, die für die Nachfolger Fishers die Lösung aller ökonomischen Probleme des Kapitalismus wäre, weil – man kann es nie oft genug wiederholen – der Markt eine perfekt funktionierende Einrichtung sei.
2: Geld, das an sich keinen Wert hat – Geldscheine (und Münzen):
Die Zeiten, in denen man noch alles mit Gold bezahlen musste, sind schon längst vorbei und damit auch die Zeit des Florentinischen Goldschmieds – sollte es ihn je gegeben haben. Das später entstandene Geld ist Geld aus Papier. Nebenbei bemerkt, das Papiergeld ist gar nicht so modern, die Chinesen hatten es bereits im 10. Jahrhundert unserer Zeitrechnung benutzt. Nun wollen wir wissen, ob sich der Florentinische Geldfälscher als logisches Muster benutzen lässt, um die angebliche Geldfälschung der Banken in einer Papiergeldwirtschaft zu erklären.
Das Recht das Papiergeld zu drucken war schon immer das ausschließliche Recht des Souveräns – des Staates. Der Staat ordnet gesetzlich an, dass jeder Bürger dieses Geld als Zahlungsmittel akzeptieren muss. Damit hat der Staat dem Papiergeld (und Münzen) eine universelle Gültigkeit verliehen – natürlich nur auf seinem eigenen Territorium. Hätte es jetzt einen Sinn, dass die Bank – so wie der Goldschmied damals – dieses „staatliche“ Geld aus Papier in ihren Tresoren lagert und ihre eigenen Papierzertifikate ausgibt? Nein, einen praktischen Zweck hätte das nicht. Aber wie dem auch sei, es gilt: Die Banken tun es nicht. Deshalb erübrigt es sich, in diese Richtung weiter zu denken. Das wäre ein Pseudoproblem. Es gibt aber doch etwas, was die Banken tun dürfen und was sie schon seit langer Zeit tun, was der vorhin beschriebenen Ausgabe der Zertifikate auf Gold ein wenig ähnelt.
Die Banken dürfen bekanntlich Schecks ausgeben. Sie nehmen also das staatlich anerkannte Geld entgegen und geben eigene Zertifikate aus: Schecks. Wozu kann es gut sein, dass jemand bei der Bank Papiergeld deponiert und dann mit Schecks zahlt?
Es gibt verschiedene Arten von Schecks, ihre Unterschiede brauchen uns jetzt aber nicht zu interessieren. Für alle gilt, dass sie sozusagen ein auf eine bestimmte Person bezogenes Geld sind. Man hat damit dem Taschendieb ein Schnippchen geschlagen. Klaut er das universell gültige Staatsgeld, kann er mit ihm überall bezahlen. Mit den Schecks geht das nicht. Dort stehen persönliche Daten drauf, so dass ein Scheck für den Dieb wertlos ist. Es gibt aber auch eine besondere Art von Schecks: Wechsel. Mit ihm ist es möglich, bei sehr vielen (natürlichen oder juristischen) Personen zu bezahlen. Das macht eine Fälschung schon interessanter. Auf jeden Fall war bei den Wechseln die Kontrolle schwierig und der Anreiz für Geldfälschung groß. Deshalb bestand seitens der EU kein Interesse an der Übernahme des Wechselsystems.
Wir brauchen aber nicht lange bei den Schecks (und Wechseln) zu verweilen, weil Fishers Anhänger nicht in diesen die Geldfälschung des heutigen Finanz- und Geldsystems vermuten, sondern im Giralgeld. Dieses Geld ist schon heute mit Abstand das wichtigste Geld bzw. Zahlungsmittel überhaupt. Eine seiner wichtigsten Eigenschaften kann man jedoch am besten mit dem Papiergeld erklären. Benutzen wir auch diesmal eine ausgedachte Geschichte, um es zu verdeutlichen.
Es ist ein trüber Tag in einer kleinen griechischen Stadt. Es regnet und alle Straßen sind wie leergefegt. Das Land ächzt unter der Wirtschaftskrise, jeder hat Schulden und alle leben auf Pump. Ein Tourist verirrt sich in diese Stadt und hält bei einem kleinen Hotel an, um zu übernachten. Er sagt dem Hotelier, dass er sich aber zuerst die Zimmer anschauen möchte, und legt als Kaution einen 100 Euro-Schein auf den Tresen. Der Eigentümer gibt ihm einige Schlüssel und dann geht’s los:
1. Als der Besucher die Treppe hochgegangen ist, nimmt der Hotelier den Geldschein, rennt zu seinem Nachbarn, dem Metzger, und bezahlt seine Schulden.
2. Der Metzger nimmt die 100 Euro, läuft die Straße runter und bezahlt den Bauern.
3. Der Bauer nimmt die 100 Euro und bezahlt seine Rechnung beim Tankstellenbesitzer.
4. Dieser gibt den 100 Euro-Schein dem Kraftfahrer, der ihm gerade Benzin liefert.
5. Der Kraftfahrer rennt zum Hotel und bezahlt seine ausstehende Zimmerrechnung mit den 100 Euro.
Der Hotelier legt den Schein wieder zurück auf den Tresen. In diesem Moment kommt der Reisende die Treppe herunter. Er nimmt seinen Geldschein und sagt, dass ihm keines der Zimmer gefällt und verlässt die Stadt.
Das Geld erlebte eine wilde Rundreise und zugleich, sozusagen nebenbei, hat es 5 Zahlungsvorgänge erledigt. Genauer ausgedrückt: Ein Geldschein im nominalen Wert von 100 € hat Tauschgeschäfte im Wert von 500 € erledigt. Dieses Verhältnis ist dem Sinn nach das, was man Umlaufgeschwindigkeit des Geldes nennt. Es ist erstaunlich, dass schon Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) aufgefallen ist, dass der wahre Sinn und Zweck des Geldes eigentlich allein das ist, was es während seines Umlaufs bewirkt, ansonsten ist es wertlos.
„Nichtig scheint das Geld zu sein und ganz und gar durch Gesetz, aber nichts von Natur, so dass es außer Umlauf gesetzt keinerlei Wert hat und unbrauchbar ist zu irgendetwas Notwendigem.“
Aritoteles, Politik, 1257b.
Bei einem weiteren großen Denker aus dem Mittelalter, Thomas von Aquin, finden wir dasselbe.
„Das Geld aber ist […] vornehmlich erfunden, um Tauschhandlungen zu tätigen. Und so besteht der eigentliche und hauptsächliche Gebrauch des Geldes in seinem Verbrauch oder im Ausgeben des Geldes, sofern es für Tauschgegenstände aufgewandt wird.“
Thomas von Aquin, Summa theologica, II-II: qu.78, a.1, resp.
Der Zins war für diese Denker etwas, was sie nicht akzeptieren konnten, weil er sich nicht durch Tausch erklären lässt. Sie lebten aber beide in vorindustriellen Zeiten und damit haben sie übersehen, dass produktivere Produktionsmethoden eine reale Kapitalakkumulation benötigen, was der zinslose Geldverleih verhindern würde. Aber diese Bemerkung zum Zins nur nebenbei – hier geht es nicht um den Zins.
3: Geld, das nur als eine Zahl existiert – Giralgeld (Buchgeld)
Die Rundreise unseres Geldscheins in der letzten Geschichte war sehr kurz. Es könnte sein, dass unser Tourist eine sparsame schwäbische Hausfrau war, die ihren 100 €-Schein schon jahrelang unter der Matratze aufbewahrt hatte und nach einer der Übernachtung im Auto auf einem Parkplatz außerhalb des griechischen Städtchens diesen zu Hause wieder dorthin zurücklegte. Damit soll hervorgehoben werden, dass das Papiergeld, obwohl es nicht – wie etwa das Gold – an sich etwas Wertvolles ist, seinen nominalen Wert und damit seine reale Kaufkraft auch dann bewahrt, wenn es nicht mehr am Wirtschaftsleben teilnimmt. Das Papiergeld kann die Wirtschaft für eine unbestimmte Zeit verlassen, seine Umlaufgeschwindigkeit fällt dann auf Null, aber es existiert auch weiter, obwohl es sozusagen versteckt ist. Man kann sagen, dass es dann als externes Geld existiert. Diese Eigenschaft hat auch Gold-Geld, doch für das Giralgeld gilt dies nicht mehr. Diese dritte Art des Geldes existiert wirklich nur während der Rundreise. Vor der Rundreise existiert es nicht, danach auch nicht mehr. Giralgeld ist außerdem, anders als die vorigen beiden Geldarten, auch noch unsichtbar. In ihrer Publikation über das Giralgeld betont die Bundesbank dessen beiden typischen Eigenschaften:
„In der Wirtschaft wird ein Großteil der Zahlungen nicht in bar, sondern durch Buchung von Sichteinlagen von einem Geschäftsbankenkonto zum anderen geleistet. Die Sichteinlagen fließen beispielsweise vom Konto des Arbeitgebers zum Konto des Arbeitnehmers und von dort zu den Konten des Vermieters oder einer Versicherung.
Das „unsichtbare“ Geld wird in einer Art Kreislauf von Bankkonto zu Bankkonto weitergegeben, weshalb es oft als Giralgeld (aus dem Italienischen: giro = Rundreise) bezeichnet wird. Häufig spricht man auch von Buchgeld, weil es nur in den Büchern der Banken erscheint. Mittlerweile erfolgt diese Aufzeichnung fast ausschließlich in elektronischer Form.“ (mehr…)
Uns geht es natürlich weiterhin um die Klärung der Frage, ob dieses Geld im Grunde so etwas ist wie die das gefälschte Geld des Florentinischen Goldschmieds und letztendlich darum, ob wir den Geld fälschenden Banken mit einer 100%-Money-Vorschrift das Handwerk legen müssten. Wie bei den vorigen beiden Geldarten wird auch diesmal die Funktionsweise dieses Geldes mit einer einfachen Geschichte veranschaulicht.
Die Rollenbesetzung:
Unsere kleine Geschichte hat vier Hauptakteure: Es sind die Chefs zweier Banken, der A-Bank und der D-Bank, und die Chefs zweier Fabriken, von denen eine Textilien herstellt – die B-Fabrik – und die andere – die C-Fabrik – Webstühle für die Textilfabrik. Unsere Akteure sind richtige Menschen, denen wir auch Namen geben: Die Bankiers heißen Alfried und Dieter, der Textilfabrikant Bertie und der Webstuhlfabrikant Claus. Mit einer Nebenrolle wollen wir auch unsere sparsame schwäbische Hausfrau in die Geschichte einbauen, die gerade – schlecht gelaunt, aber dafür fast mit all dem Geld, das sie mitgenommen hatte – wieder aus Griechenland zurückkam. (Sie hat sozusagen das Geld „target“-iert.) Damit wir uns an unsere Helden leichter gewöhnen, stellen wir sie in einer Grafik übersichtlich dar.
Zu dieser Darstellung ist noch zu sagen, dass Bernie und die schwäbische Hausfrau die Kunden der A-Bank sind und Claus ist Kunde der D-Bank.
Die Problemstellung:
Der Textilhersteller Bernie kauft jedes Jahr 100 Webstühle von Claus, der genau 100 Webstühle pro Jahr herstellt. Es werden also genauso viele Webstühle pro Jahr (in der C-Fabrik) hergestellt, wie (in der B– Fabrik) verschlissen werden. Es soll auch für alle anderen Unternehmen in dieser gedachten Wirtschaft gelten, dass sie jahrein, jahraus exakt eine solche Menge von Gütern herstellt, wie nachgefragt und verbraucht wird – seien dies nun Produktionsgüter oder Konsumgüter. Die Banken sollen exakt so viel Geld haben, dass sie all diese Transaktionen und ihre anderen Geschäfte rechtzeitig abwickeln. Für eine solche Wirtschaft haben die älteren Ökonomen das Wort stationär benutzt. Heute ist es üblicher zu sagen, sie befinde sich im perfekten Gleichgewicht.
In diesem Jahr soll sich aber etwas ändern. Dem Webstuhlhersteller Claus ist nämlich eine großartige Idee eingefallen, eine Innovation: Mit exakt gleichen materiellen Kosten und dem gleichen Aufwand an Arbeitsstunden ist es ihm gelungen einen zusätzlichen Webstuhl herzustellen. Nun meldet er sich bei seinem Duzfreund Bernie, um ihm diesen 101. Webstuhl anzubieten. Er überrumpelt ihn sofort mit einem Rabatt: Bernie, als sein alter treuer Kunde, würde diesen Webstuhl anstatt für 150 000 Euro, wie sonst üblich, für nur 100 000 Euro bekommen. Ein so lukratives Angebot kann Bernie nicht ausschlagen. Sein einziges Problem ist, das er kein Geld dafür hat. Was nun?
Bernie versucht Claus zu überreden, ihm den Webstuhl geldlos zu überlassen, er würde diesen in Raten abbezahlen. Darauf will sich Claus jedoch nicht einlassen. Es war zumindest einen Versuch wert, aber Bernie wusste als Unternehmer natürlich von vornherein nur allzu gut, dass bei Geld die Freundschaft aufhört. Was bleibt ihm übrig? Er ruft seine Bank an. Sein Duzfreund Alfried hat zuerst ein bisschen gemauert, ein solches Geschäft hat er in diesem Jahr eigentlich nicht geplant, woher sollte er auf einmal so viel Geld nehmen, aber es fiel ihm dann doch eine Möglichkeit ein. Sein Filialleiter sagte ihm neulich, eine Frau, offensichtlich eine wohlhabende Rentnerin, besuchte neulich die Bank und sagte, sie hätte eine ordentliche Geldsumme zum Einlegen. Würde man ihr bessere Sparzinsen anbieten – so Alfried weiter – könnte man sich mit ihr sicher einigen, dann würde es mit dem Kredit für den zusätzlichen Webstuhl klappen. So sind Bernie und Alfried schließlich verblieben. Und in der Tat dauerte es nicht lange, bis Alfried seinen Freund Bernie zu sich einlud, zusammen mit Claus und Dieter. Es sollte losgehen.
Nachdem sie es sich bequem gemacht hatten – Bernie wollte schon, dass die Sekretärin die erste Flasche Champagner bringt -, teilt Alfried mit, dass er noch einen Telefonanruf von seinem Filialleiter erwartet. Er soll ihm bestätigen, dass die Geldeinlage der Rentnerin „in trockenen Tüchern“ ist. Und in der Tat, kurz danach ertönt aus seinem Handy die Ode an die Freude von Beethoven. Die Anwesenden konnten schnell erkennen dass dies der erwartete Anruf war. Auf Alfrieds Gesicht breitete sich ein Lächeln aus, nur wiederholte er während des Telefonats nur die Summe von 5 000 Euro. Bernies Mine verdüsterte sich. Er konnte kaum erwarten, bis die Unterhaltung beendet war, dann wandte er sich an Alfried und schrie ihn fast an:
„Wie bitte? Du hast jetzt also ganze 5 000 Euro. Wunderbar! Alfried, ich brauche 100 000 Euro. Ja, du hast es schon richtig verstanden: Nicht 5 000, sondern 100 000! Oder bin ich nicht auf dem Laufenden? Ist dem etwa so, dass mir Claus noch einen weiteren, höchst großzügigen Rabatt anbietet? Dann, meine Herrschaften, heißt es jetzt nichts als feiern!“
Mit der letzten Bemerkung wollte er gute Mine zum bösen Spiel machen.
„Nein“, erwiderte Alfried, „diese 5 000 sind nicht für dich, Bernie. Die sind anderswo eingeplant.“
„Ach so! Das wird ja immer besser! Du hast also gar nichts für mich. Kein Geld ist da!, stotterte Bernie, und er wurde jetzt richtig aufgeregt. „Du wirst mir jetzt doch nicht etwa sagen, auf einmal hast du bei dir ein geheimes Konto entdeckt, aus dem du einfach so, im Handumdrehen, 100 000 Euro herzaubern kannst!?“
„Beruhige dich, Bernie! Beruhige dich!“, so Claus und Dieter fast mit einer Stimme, die ihre offensichtlich fröhliche Unterhaltung unterbrechen mussten.
„Ja Bernie, so ist unser Alfried halt“, mischte sich Dieter ein, „er hat so ein Konto und dir ist sogar die Kontonummer bekannt.“
Für Bernie schlug das dem Fass den Boden aus. Er sollte sogar die Kontonummer von Alfried kennen!? Er rastete jetzt wirklich aus. Er vermutete jetzt, dass auch das Angebot von Claus nur ein weiterer geschmackloser Spaß seiner ach so guten drei Freunde war. Er sprang aus seinem Sessel auf, er wollte raus. Das würden die Herrschaften noch bereuen, sie würden noch dafür büßen, drohte er ihnen.
„Beruhige dich, Bernie! Beruhige dich!“, so die drei fast mit einer Stimme. Und sie erklärten ihrem Freund was jetzt vor sich gehen wird.
Es ist in der Tat so, dass Bernie die Kontonummer des „geheimnisvollen Kontos“ von Alfried kennt. Diese Nummer ist nämlich gar nicht geheim, Bernie hat sich darüber aber nie Gedanken gemacht. Die Bankleitzahl seiner Bank entspricht der „Kontonummer“ der A-Bank bei der Zentralbank. Das folgende Bild verdeutlicht, was an diesem einen Nachmittag der Reihe nach geschehen ist.
Schritt A: Im ersten Schritt überzieht Alfried sein Konto bei der Zentralbank um 100 000 Euro. Die A-Bank rutscht also zunächst tief ins Minus. Zugleich wird die Spareinlage von der schwäbischen Hausfrau der Zentralbank geliefert und dort gebucht. Ihre Geldscheine aus der Matratze im Wert von 5 000 Euro gehören auch weiterhin der A-Bank, sie kann aber vorerst nicht über sie verfügen – sie sind sozusagen eingefroren. Die Zentralbank sorgt dafür.
Schritt B: Nachdem Bernie den Kreditvertrag unterschrieben und mit einem Pfand besichert hat, wird die Summe von 100 000 Euro Giralgeld der Zentralbank auf das Konto der B-Fabrik überwiesen. Sofort leitet Bernie diese weiter, er überweist sie auf das Konto der C-Fabrik.
Schritt C: In diesem Augenblick öffnet Claus das Tor seiner Fabrik und sein Lastwagen mit dem Webstuhl bricht zur Textilfabrik auf. Er selbst steigt in seinen Porsche und fährt zu seiner Bank.
Schritt D: Genau so, wie vorhin unter Freunden abgesprochen, legt Claus die ganze Summe als Spareinlage bei der D-Bank ein. Wie ebenfalls abgesprochen, leiht die D-Bank dieses Geld der A-Bank aus. Dieter gibt seinem Filialleiter einen Wink und dieser erledigt das unverzüglich.
Schritt E: Der Cheff der A-Bank Alfried ist schon längst in seiner Filiale – und er ist offensichtlich sehr angespannt. Als es aus dem PC piepst, ist das eingetreten, worauf er so ungeduldig gewartet hat. Das Geld von der D-Bank ist auf dem Konto seiner Bank gelandet. Auf seinen Wink hin überweist sein Filialleiter die ganzen 100 000 Euro der Zentralbank. Die A-Bank refinanziert sich also noch am selben Tag bei der Zentralbank. Die ganze Anspannung fällt von Alfried ab, nun ist Feiern angesagt.
Bevor wir das ganze Verfahren und sein Ergebnis genauer erörtern, soll auf eine sehr wichtige Besonderheit unserer Geschichte hingewiesen werden. Sie ist nämlich so aufgebaut, dass sie in ihren wichtigsten Punkten wortgenau mit den Sätzen aus der bereits zitierten Publikation der Deutschen Bundesbank übereinstimmt. Dort wird aber die zweite Bank als B-Bank bezeichnet, das muss geändert werden. Wir ersetzen im Text B-Bank durch [D]-Bank – es ist bekanntlich üblich, Änderungen in zitierten Texten in eckige Klammern zu setzen. Die dem Zitat hinzugefügten zusätzlichen Daten stehen deshalb auch in eckigen Klammern.
Dar zitierte Text aus der Publikation der Deutschen Bundesbank befindet sich auf den Seiten 75-76. Dort geht es um die Erklärung, wie das Giralgeld bei einer Kreditvergabe entsteht. In dieser Publikation gibt es natürlich keine phantasievollen Geschichten. Ihre Beschreibung der Kreditvergabe beginnt mit der ganz schlichten Feststellung, dass eine Bank, es ist die A-Bank wie bei uns, das Giralgeld schafft, indem sie dem Kreditnehmer, bei uns heißt er Bernie, eine Zahl auf sein Konto gutschreibt. Damit wurde das Giralgeld geschaffen.
„Allerdings nimmt diese Betrachtung nur den ersten Schritt in einem längeren Prozess in den Blick. Denn typischerweise wird der Kunde [Bernie] die Sichteinlage, die er sich über die Kreditaufnahme beschafft hat, nutzen, um sich etwas zu kaufen. Häufig läuft das darauf hinaus, dass der Kunde sein Guthaben an den Kunden einer anderen Bank [Claus] überweist. Anknüpfend an das obige Beispiel überweist Kunde 1 die [100 Tsd.] Euro auf ein Girokonto von Kunde 2 bei der [D]-Bank. Für die Kredit gebende A-Bank bedeutet dies, dass die Sichteinlage des Kunden [Bernie], das selbstgeschaffene Buchgeld, abfließt – und dass sie den Kredit nun „refinanzieren“ muss. Im einfachsten idealtypischen Fall wird ihr dazu die [D]-Bank einen Kredit gewähren – viele Geschäftsbanken haben untereinander entsprechende Vereinbarungen.
Die A-Bank hat somit eine […] Verbindlichkeit gegenüber der [D]-Bank. Die A-Bank muss nun den Zinsertrag aus dem Kundenkredit [Bernie] zum Teil an die [D]-Bank abgeben – und damit einen Teil ihres Gewinns aus der Buchgeldschöpfung.
Mit der Kreditvergabe an ihren Kunden [Bernie] ist die A-Bank mehrere Risiken eingegangen. Eines ist, dass der Kunde den Kredit nicht mit Zins und Tilgung bedient (Kreditausfallrisiko). Kommt es zu einem Kreditausfall, bereitet dies dem Kreditgeber einen Verlust […] Drittens besteht das Risiko, dass die A-Bank einmal keine andere Bank findet, die bereit ist, die benötigte Refinanzierung zu gewähren (Liquiditätsrisiko). Dann kann es im Extremfall zu Zahlungsunfähigkeit und Insolvenz kommen.“
In der zitierten Publikation wird beiläufig erwähnt, dass die A-Bank nicht unbedingt von einer anderen Bank „refinanziert“ werden muss, sondern das auch direkt von Sparern möglich ist. Die Banken bevorzugen das. In unserer Geschichte wäre das der Fall, wenn sich Claus nicht an die ursprünglichen Vereinbarungen zwischen Freunden halten und seine 100 000 Euro abheben würde und diese bei der A-Bank – zu einem attraktiveren Zins als bei der D-Bank – einlegte. Mit seiner Freundschaft mit Dieter wäre es das dann gewesen, aber beim Geld… Zu diesem „Verrat“ von Claus an der D-Bank würde in der Publikation der Bundesbank folgende Stelle passen:
„Um die beiden letztgenannten Risiken zu begrenzen, kann die Bank Einlagenpolitik betreiben. Sie gewährt beispielsweise Sparern einen attraktiven Zins, damit sie bei ihr Geld für eine längere Zeit fest anlegen. Im Beispiel nimmt der Kunde der [D]-Bank [Claus] das Angebot der A-Bank an: Er überweist seine unverzinste Sichteinlage bei der [D]-Bank auf ein Sparguthaben bei der A-Bank.“
Im Sinne der Methode der abnehmenden Abstraktion könnten wir unsere Geschichte noch realistischer anlegen, indem wir sagten, dass das geschöpfte Giralgeld für die Kreditvergabe nicht durch das Sparen von Claus „refinanziert“ – wie es die Bundesbank bezeichnet – werden müsste. Claus bräuchte gar nichts zu sparen, dies könnten auch andere Wirtschaftsakteure tun, die über Einkommen verfügen. Volkswirtschaftlich (makroökonomisch) ist es ganz unwichtig, wer spart, in unserem Beispiel sollten aber 100 000 Euro eingespart werden, damit die Wirtschaft weiter in ihrem ursprünglich perfekten Gleichgewicht bleibt. Was passieren würde, wenn dies nicht der Fall wäre, wollen wir jetzt nicht erörtern. Andere Fragen sind für uns wichtiger.
Die Mutter aller (geldkreationistischen) Fragen: Wie viel Geld wurde geschöpft?
Noch vor Einbruch der Dunkelheit stand bei allen Buchungen, die mit der Kreditvergabe zu tun hatten, auf linken Seite (Soll) wie auf der rechten Seite (Haben) die genau gleiche Zahl: 100 000. Unter Strich stand also überall Null. Auch auf dem Konto der A-Bank bei der Zentralbank. Wo ist das Giralgeld abgeblieben? Es wurde doch mit ihm bezahlt, dann musste es doch Giralgeld geben, und zwar Giralgeld der Zentralbank. Warum der Zentralbank? Einerseits wurde dieses Giralgeld im Schritt A vom Konto der Zentralbank abgebucht und somit gehörte das Geld, mit dem die Banken untereinander bezahlt haben, immer der Zentralbank. Andererseits wäre dieses Giralgeld nie entstanden, wenn die A-Bank sich nicht selbst dazu entschieden hätte, den Kredit zu vergeben. Sollte dann nicht die A-Bank der Schöpfer des Giralgeldes sein? Wie merken jetzt, dass uns diese Diskussion nirgendwohin führt. Man kann nur mit Sicherheit sagen, dass beide ihren Teil erledigen müssen. Eine wichtigere Frage ist, ob sich durch die Kreditvergabe die Geldmenge in der Wirtschaft vergrößert hat.
Weil sich die Handelspartner in unserer Geschichte perfekt abgestimmt haben, lag das Giralgeld der Zentralbank, das ihr im Schritt A genommen wurde, schon am späten Nachmittag, nach Schritt E, schon wieder bei ihr. Das Giralgeld der Zentralbank gibt es in der Wirtschaft nicht mehr. Sollten die Banken zugleich etwas geschöpft haben, dann müsste es einen Akteur in der Wirtschaft geben, der nach der Kreditvergabe über eine zusätzliche Geldsumme verfügt, mit der er sich etwas kaufen kann. Gibt es aber einen solchen Akteur, der an diesem Tag, und auch später, über mehr Geld – in welcher Form auch immer – verfügt? Nein. Wenn sich also die Kaufkraft keines Akteurs erhöht hat, wie könnte es dann zu irgendwelcher zusätzlichen Geldschöpfung kommen? Ganz einfach: gar nicht.
Die Geldmenge wurde tatsächlich nicht um einen einzigen Euro ausgeweitet. Es stimmt aber, dass Guthaben (Ersparnisse) und Kredit (Schulden) entstanden sind. Kann man Guthaben oder Kredit nun als Geld betrachten? Vielleicht könnte man darüber reden. Wenn man es versuchen will, sollte man es wagen, Begriffe wie Einlage, Ersparnis und Kredit auf einer höheren Abstraktionsebene als Geld zu betrachten, und dann muss man auch ausdrücklich die Behauptung zurückweisen, sie seien aus dem Nichts entstanden. Wie bereits gesehen, die Spareinlage war bei uns ein Einkommen des Fabrikanten Claus, und diesem Einkommen lag wahrhaftig eine neue materielle Wertschöpfung zugrunde, ein echtes Gut, genauer gesagt ein Produktionsgut, das man als Webstuhl bezeichnet. Dieses neue reale Produkt war die Ursache des Einkommens, der Ersparnis (Claus) und des Kredits (Bernie). Das Geld ist nur die Maßeinheit dieser Größen. Die Ökonomen sprechen dabei von Wertmaßstab und Recheneinheit. Der entstandene Kredit ist keine Geldmenge, sondern eine Forderung, die im nachhinein mit realen Produkten (Textilien) abbezahlt wird, also nicht mit Geld, obwohl Geld dies vermitteln wird. Wo kämen wir hin, würden wir alles, was mit Geld gemessen wird, selber Geld nennen!
Durch die Mindestreserve wurde unserem Wirtschaftsystem das Geld eigentlich noch entzogen. In unserem Beispiel war es offensichtlich, dass es sich um ein „echtes“ Geld handelte: Es war irgendwann früher von der Zentralbank geschaffen – hier sogar richtig gedruckt (Euroscheine) -, und die Zentralbank hat ihr eigenes Geld wieder zurückbekommen. Über die Mindestreserve bleibt uns noch einiges zu sagen, aber eine Schlussfolgerung, die auch weiterhin ihre Gültigkeit behalten wird, können wir schon jetzt ziehen.
Um Kredite zu vergeben, braucht ein Banksystem makroökonomisch (aggregiert) kein Geld der Zentralbank, es wird nur für die Mindestreserve benötigt. Bei der Mindestreserve von 0 Prozent würde das Banksystem alle Kredite, unabhängig von dem Volumen, ohne das Geld der Zentralbank vergeben können.
Die Menschen, die sich nur mit Geld beschäftigen, vergessen sehr leicht, dass nicht die Geldschöpfung der wahre Anfang des Verfahrens ist, das sie organisieren. Am Anfang steht eine reale Schöpfung, bei uns ein Webstuhl, das Geld hat nur die Übergabe dieser neuen realen Schöpfung vermittelt. Die von uns zitierte Publikation der Bundesbank kann als Beispiel dafür dienen, wie leicht das von den „Geldmenschen“ übersehen wird. Auch sie lässt die reale Seite der Wirtschaft unter den Tisch fallen. Es werden ausschließlich Geldflüsse erfasst, der Rest wird ausgeblendet. Die Geldflüsse werden dort natürlich korrekt beschrieben, aber an sich ist das nur eine Teilwahrheit. Und was Teilwahrheiten bewirken, macht diese alte indische Geschichte deutlich:
Es hatte sich in einem Königreich herumgesprochen, dass in Indien ein seltsames Tier lebt, genannt Elefant. Selbst der König wurde neugierig und wollte wissen, was für ein Tier das sei. In dem Königreich lebten fünf Weise. Sie waren zwar blind, aber wer könnte der Sache besser auf den Grund gehen als sie? Und so machten sich die blinden Weisen auf die lange Reise. In Indien angekommen, wurden sie von einheimischen Helfern zu einem Elefanten geführt. Sie standen nun um das Tier herum und versuchten, sich durch Ertasten ein Bild von diesem Tier zu machen.
Als sie zurückkamen, berichteten sie ihrem König. Der erste Weise hatte am Kopf des Tieres gestanden und den Rüssel betastet. Er sprach: „Ein Elefant ist wie ein langer Schlauch.“ Der zweite hatte das Ohr des Elefanten ertastet und sprach: „Nein, ein Elefant ist vielmehr wie ein großes Feigenblatt.“ Der dritte sprach: „Aber nein, ein Elefant ist wie eine riesige Säule.“ Er hatte ein Bein des Elefanten berührt. Der vierte sagte: „Also ich finde, ein Elefant ist wie ein Rasierpinsel“, denn er hatte nur den Schwanz des Elefanten ertastet. Und der fünfte Weise berichtete seinem König: „Also ich sage, ein Elefant ist wie ein riesiger Fels mit Borsten darauf.“ Dieser Weise hatte den Rumpf des Tieres berührt.
Teilwahrheiten sind zwar jede für sich wahr, aber man darf sie nicht leichtfertig verallgemeinern. Dann werden sie schnell zur Quelle realitätsfremder und irrsinniger Phantasien. Eine solche entsteht, wenn man bei der Kreditvergabe an der monetären Oberfläche des Wirtschaftsgeschehens hängenbleibt. Dann wird die ganze Aufmerksamkeit dem ersten Schritt der Geldschöpfung gewidmet, in dem eine Zahl eingetippt wird, die dann auf der Haben-Seite des Kreditnehmerkontos erscheint. Dem Kreditnehmer wirft man da nichts vor, weil er für sein neues Geld einen Pfand hinterlegt und es zurückzahlen muss. Die Bank scheint nichts tun zu müssen, trotzdem kann sie Geld für den Kredit schaffen. Das wird als die allererste Ursache des Kreditgeldes begriffen und daraus wird ein Pseudoproblem konstruiert. So wie der Florentinische Goldschmied, der Pate aller Geldfälscher, die Geldzertifikate ohne reale Deckung schöpft, so schöpft angeblich auch der Bankier ein falsches Geld, indem er auf seinem PC eine Zahl eintippt. Dem Goldschmied würde man den Geldkreationisten zufolge mit der 100%igen Gelddeckung das Handwerk legen, dem modernen Geldfälscher mit dem PC auch.
Das Bild der Geldschöpfung ändert sich völlig, wenn man die realen Hintergründe des Giralgeldes und der Kreditvergabe mitdenkt: also die Bewegung der Güter, die hinter der Geldoberfäche stattfindet. Weil gerade dies bei der Kreditvergabe entscheidend ist, verdient das unsere besondere Aufmerksamkeit.
Der Sinn und Zweck der Schöpfung des Giralgeldes der Zentralbank durch Geschäftsbanken
Der Tausch von Gütern und Dienstleistungen gegeneinander ist viel älter als Geld. Als es noch kein Geld gab, in den primitiven Gesellschaften, hat man sich gegenseitig beschenkt. Jeder hat jeden gekannt, jeder wusste was einer dem anderen geschenkt hat, die ganze Sippe hat alles überwacht und dafür gesorgt, dass auf die Inanspruchnahme einer Leistung auch eine entsprechende Gegenleistung folgt. Auch in unserem Fall könnte Claus seinen Webstuhl Bernie schenken, dieser würde sich dann mit Gegengeschenken revanchieren. Man hatte schon vorher jahrelang versucht, die eigenen Kinder zu verkuppeln – zahlreiche gemeinsame familiäre Feste, gemeinsame Urlaubs, gleiche privaten Schulen, usw. -, und wenn das geklappt hätte, dann wäre die Schenkung kein Problem. Die Kinder haben ihre Eltern aber bitter enttäuscht. Nach einem juristischen Ehevertrag zwischen ihnen würden Bernie und Claus keinen Kredit und kein Geld, und letztlich auch keine Bank brauchen. Weil das aber in den vielköpfigen, komplexen und intransparenten zivilisierten Gesellschaften nicht geht und beim Geld die Freundschaft aufhört, braucht man professionelle Vermittler, die mit Sanktionen für die Erfüllung des Vereinbarten (Vertrag) sorgen: die Bankiers.
Aus unserem Beispiel wurde deutlich, dass die Banken nur Vermittler sind, die natürlich dafür kassieren, so wie etwa Heiratsvermittler – weil auch Vermittler von etwas leben müssen. Sie wickeln ein Geschäft zwischen zwei Gruppen von Menschen ab: Zur einen Gruppe gehören alle, die Einkommen oder Güter besitzen, die damit aber nichts anfangen können oder wollen, zur anderen Gruppe gehören diejenigen, die das nicht besitzen, aber dafür wüssten, wie sie es nützlich gebrauchen könnten. Das Geld vermittelt diesen asymmetrischen Tausch, den Tausch zwischen denen die haben und denen die nicht haben, aber bald haben werden und die sich dann revanchieren werden. Deshalb können wir auch von einem zeitlich gestreckten Tausch sprechen. Das Geld ermöglicht einen solchen asymmetrischen und zeitlich gestreckten Tausch. Die Bankiers haben auch in unserer Geschichte nichts anderes getan als einen solchen asymmetrischen Tausch organisiert. Bernie hat ein Gut erworben, doch er selbst konnte vorerst nichts als Gegenleistung bieten, aber im Laufe der Zeit wird er Güter liefern, die dem Gegenwert entsprechen. Eigentlich wird er sogar mehr Güter liefern, als der Webstuhl Wert ist, was auch einen guten Grund hat. Bernie ist ein Unternehmer, der mit dem Webstuhl einen zusätzlichen Mehrwert schafft, den es früher nicht gab, warum sollte es dann nicht gerecht sein, dass er die anderen an diesem Mehrwert beteiligt? Ohne sie hätte er den Mehrwert nie schaffen können.
Nehmen wir zum Beispiel an, Bernie – nachdem er seine Textilien verkauft hat – verdient mit seinem zusätzlichen Webstuhl zusätzliche 20 000 Euro. Davon werden ihm 10 000 Euro bleiben, die restlichen 10 000 zahlt er der A-Bank als Zinsen. Diese behält 7 000, die Restlichen 3 000 bekommt die D-Bank, die für sich 1 000 behält und der Sparer Dieter bekommt 2 000 Euro als Zinsen. Die A-Bank bekommt deshalb so viel, weil sie das Risiko für den Kredit übernimmt und darüber hinaus auch der schwäbischen Hausfrau etwas zahlen muss. Wir haben aber noch nichts über diese 5 000 Euro von der schwäbischen Hausfrau gesagt. Das holen wir jetzt nach.
Ihre 5 000 Euro dienen der A-Bank als Reserve, die sie nach gesetzlicher Vorschrift als Sicherheitsreserve – man bezeichnet das als Mindestreserve – vorhalten muss. Wovor muss sich aber eine Bank absichern? Nicht jeder Kreditnehmer wird seinen Kredit zurückzahlen und das von ihm hinterlegter Pfand kann sich als nicht verwertbar herausstellen. Bleiben wir bei unserem Beispiel, dann wird die A-Bank, die an 20 Kunden Kredite vergeben hat, eine Mindestreserve von 100 000 Euro bilden. Wenn bei einem dieser 20 Kredite alles total schief gelaufen ist, dann wird die Bank diese Mindestreserve benutzen, um weiterhin zahlungsfähig zu bleiben. Sie wird also dank der Mindestreserve weiter normal funktionieren können. Das ist ein offensichtlich vernünftiger Grund dafür, dass in den Vorschriften für die Banken überhaupt Mindestreserven angeordnet werden. Man muss dabei aber aufpassen.
Der „Aderlass“ der Bank durch den geplatzten Kredit ist durch diese Reserve nicht aus der Welt geschafft. Die A-Bank wird nämlich der schwäbischen Hausfrau das Geld irgendwann zurückzahlen müssen – auch noch mit Zinsen. Diesen Schaden kann die Bank nur aus dem eigenen Gewinn ausgleichen: in unserem Fall beträgt der Gewinn pro Kredit 7 000 Euro. Wenn dieser Gewinn aber regelmäßig erwirtschaftet wird, kann man sich schnell denken, dass die Mindestreserve nur bei den kurzen Engpässen nötig sein wird. Das bringt uns schnell auf den Gedanken, dass die Mindestreserve gar nicht so groß sein muss. Dazu kommt noch etwas. Zumindest in der EU bürgt der Staat für die Einlagen bei den Geschäftsbanken, so dass man sich fragen kann, wozu diese Mindestreserve überhaupt gut sein soll. Wir wollen jetzt nicht endgültig die Frage beantworten, welche Mindestreserve optimal wäre, sondern nur etwas darüber sagen, was gegen hohe Mindestreserven spricht und schließlich, warum eine 100%-Reserve oder 100%-Money nur ein 100%-Unsinn ist.
Die Mindestreserve aus angebotstheoretischer und nachfragetheoretischer Perspektive
In unserem Beispiel beträgt die Mindestreserve 5%, was in der Phantasiewelt von Fisher und seinen Nachfolgern, den Geldkreationisten, einem 5%-Money entspräche. Zwischen dem Wert der Mindestreserve und dem Kreditvolumen gibt es offensichtlich einen – gesetzlich vorgeschriebenen – Zusammenhang. Deshalb konnte bei uns die Bank mit 5 000 Euro Mindestreserve einen Kredit im Wert von 100 000 Euro vergeben. Damit wird klar, dass die Mindestreserve ein Instrument der Zentralbank ist, das Kreditvolumen zu beeinflussen. (In welchem Maße sie das kann, ist eine sehr interessante und sehr relevante Frage, die aber nicht hierher gehört, weil sie zu weit führen würde.) Hätte der Gesetzgeber an dem Tag, an dem unser Beispiel ablief, die Mindestreserve verdoppelt, hätte sich das mögliche Kreditvolumen der A-Bank von 100 000 auf 50 000 Euro halbiert. Bei einer Mindestreserve von 100 % könnte die Bank nur Kredite in Höhe von 5 000 Euro vergeben. Je höher die Mindestreserve ist, desto kleiner fällt das Kreditvolumen aus. Außerdem gilt: Je höher die Mindestreserve, desto teurer wird der Kredit, weil höhere Mindestreserven mehr Zinskosten verursachen. Deshalb haben die westlichen Staaten – die EU ging dabei den anderen voran – die Mindestreserve immer weiter abgesenkt. Diese Absenkung der Mindestreserve wurde bestimmt auch von der Mainstream-Auffassung getragen, dass die freie Marktwirtschaft nie mehr in sich zusammenbrechen würde – man kann sich auch hier an Fisher erinnern. Nach dem Herbst 2008 wurde der Vorwurf laut, man hätte die Mindestreserve nicht so sehr absenken sollen. Damit sind wir beim nächsten Pseudoproblem.
Auch hier können wir mit den Tatsachen anfangen. Die Mindestreserve der amerikanischen Banken lag deutlich höher als die der europäischen. Doch wo ist die „Finanzkrise“ ausgebrochen? Richtig. In den USA. Wie hoch hätte die Mindestreserve in Amerika sein müssen, damit die Verluste des Finanzsektors, die im Herbst 2008 auf einen Schlag bekannt wurden, ohne staatliche Hilfe hätten ausgeglichen werden können? Sehr, sehr hoch. Wenn die Wirtschaft zusammenbricht – und die freie Marktwirtschaft tut das immer wieder, weil sie eine Fehlkonstruktion ist – hilft keine Reserve. Zu den Zeiten, in denen die Wirtschaft gut läuft, ist eine sehr geringe Mindestreserve schon ausreichend. Eine höhere verteuert nur die Investitionen und verstärkt den Zinseszinseffekt. Mit einem Wort: Die Mindestreserve löst kein Problem.
Wir sehen also, dass es keine vernünftigen Argumente für eine hohe Mindestreserve gibt. Ja, nicht einmal aus angebotstheoretischer Sicht gibt es keine. Die Angebotstheoretiker beschäftigen sich nur deshalb so gern mit ihr, weil sie damit von den wahren Ursachen der Wirtschaftskrisen ablenken wollen, die in der Konzeption der freien Marktwirtschaft liegen, nömlich ihrer Unfähigkeit, nicht immer genug Nachfrage für den Absatz aller schon hergestellten Güter zu schaffen. Der Nachfragemangel ist hier zwar auch nicht unser Thema, aber die nachfragetheoretischen Argumente gegen eine hohe Mindestreserve sollen aber trotzdem kurz erörtert werden. Sie sind viel schwerwiegender als die angebotstheoretischen.
Was die Mindestreserve auf der Seite der Nachfrage verursacht, wird uns schnell klar, wenn wir darüber nachdenken, woher das Geld für sie stammen kann. Die Quelle des Geldes für die Mindestreserve in unserer Geschichte lag extern, außerhalb der Wirtschaft: Die A-Bank hat ihre Mindestreserve mit den Euroscheinen gestemmt, die unsere tüchtige und sparsame schwäbische Hausfrau unter ihrer Matratze gesammelt hatte. Das ist aber nur eine der Möglichkeiten, für die Mindestreserve zu sorgen, und diese ist in der Praxis nicht einmal typisch. Wir haben in unserer Geschichte deshalb auf das Geld, das außerhalb der Wirtschaft gelagert wurde, zurückgegriffen, um die Auswirkungen der Kreditvergabe auf den Rest der beispielhaften Wirtschaft möglichst klein zu halten (Ceteris-paribus-Klausel). Im dargestellten Fall bedeutete die Bildung der Mindestreserve nur eine Verschiebung der Euroscheine von unter der Matratze in den Tresor der Zentralbank, also eine Verschiebung von einem Ort, der außerhalb des Wirtschaftsgeschehens liegt, an einen anderen Ort, der ebenfalls außerhalb der Wirtschaft liegt. Was würde aber geschehen, wenn für die Mindestreserve – wie in der Praxis üblich – das Geld aus der Wirtschaft verwendet würde, also das Geld von den Konten der Einkommensempfänger?
Das Geld der Einkommensempfänger – das normalerweise als Giralgeld existiert – würde dann die Wirtschaft verlassen. Dieses Geld könnte dann nicht mehr von der Wirtschaft hergestellte Güter kaufen – wie es sonst der Fall wäre -, so dass die reale Wirtschaft Absatzprobleme bekäme. Bei einer Geldwirtschaft, die nur Giralgeld nutzt, würde bei jedem Kredit von 100 000 Euro – um bei unserem Beispiel zu bleiben -, eine Nachfragelücke von 5 000 Euro entstehen. Bei einer Mindestreserve von 100 %, also bei Fishers 100%-Money, würde jeder Kredit von 100 000 Euro eine ebenso große Nachfragelücke aufreißen. Wenn man in Deutschland beispielsweise etwa 10 % des Einkommens einsparte, rissen diese Ersparnisse dann eine gleich große Nachfragelücke auf. An dieser Stelle ist es aber angebracht, auf den Florentinischen Goldschmied zurückzukommen, um Fisher ein Bisschen zu entlasten. Bei diesem war das Gold ein externes Geld, so dass 100%-Money nur bedeutet, dass die Geldmenge in einer Wirtschaft identisch mit der Goldmenge sein soll. Das Geld ist in der neoliberalen Theorie neutral, bei Fisher auch. Das ist falsch, aber Fisher muss man dafür zugute halten, dass in der Goldwirtschaft durch die 100%-Mindestreserve, also durch das 100%-Monay, keine Nachfragelücke entstehen würde, aus dem einfachen Grund, weil das Gold ein externes Geld ist. Weil aber in der Marktwirtschaft durch andere Ursachen ein Nachfragemangel entstehen kann, ist die Auffassung, die Geldmenge solle dem Goldwert entsprechen, sehr gefährlich. Übrigens haben sich sogar einige wichtige Marktradikale, wie etwa Friedman, von diesem Gedanken verabschiedet und für eine wachsende Geldmenge eingesetzt. Das aber nur nebenbei.
Erwähnen wir abschließend, dass es der Zentralbank nicht verboten ist alles, was sich in ihrem Tresor als Mindestreserve stapelt, in die Hand zu nehmen und es aus dem Hubschrauber auf die unten bummelnden und nichtsahnenden Passagieren herunterzuwerfen. Diese „Hubschraubermethode“ wäre so ziemlich die schlechteste für den Zweck, das Geld aus der Mindestreserve abfließen zu lassen. Man kann sich leicht viel bessere Methoden ausdenken. Eine heißt Monetisierung von Staatsschulden (Quantitative Easing). Die Frage bleibt aber, ob die Zentralbanken, die man unabhängig gemacht hat, die also alle erdenklichen Narrenfreiheiten bekommen haben und tun und lassen können was ihnen einfällt, so etwas tatsächlich tun wollten. Das ist um so fraglicher, als die Verantwortlichen dort stramm neoliberal denken, sonst hätten sie nie die Posten bei der Zentralbank bekommen. Das schließt automatisch aus, dass sie sich über die Nachfrage Gedanken machen würden. Für sie kann es einen Nachfragemangel niemals geben. Aber aus einem anderen, viel gewichtigeren Grund kann man von den Zentralbankiers nicht erwarten, dass sie für genug Geld sorgen würden. Sie sind nämlich die Helfershelfer derjenigen, die das Geld besitzen. Dazu sagen wir auch noch etwas.
Sind die Banken unschuldig an den Problemen der freien Marktwirtschaft?
Ein Mensch kann eine Ware verkaufen, die er selber hergestellt hat, oder eine, die ein anderer hergestellt hat. In ersterem Fall spricht man vom Hersteller, im letzteren vom Händler. Sowohl der Hersteller als auch der Händler sind bestrebt, so teuer wie möglich zu verkaufen: Sie sind auch nur mit der Erbsünde belastete Menschen. Es gibt aber trotzdem Unterschiede zwischen den Menschen. Es gab immer und es wird auch immer welche geben, die gar keine Skrupel bei der Wahl der Mittel haben, wie man so teuer wie möglich verkaufen kann, um selbst möglichst viel zu verdienen. All diese unlauteren Mittel oder Tricks, die so alt wie die Geldwirtschaft selbst sind, kann man zwei Gruppen zuordnen. Zur einen Gruppe gehören die, mit denen man den Käufer täuscht, was die Wareneigenschaften betrifft, und zur anderen die zur Errichtung eines Monopols.
Wie ziehen die Banken ihre Kunden bzw. ganze Völker über den Tisch?
Eine Bank kann leichtsinnig Kredite vergeben an die, die keine ausreichenden Sicherheiten (Pfand) haben. Solche offensichtlich kriminellen Machenschaften lassen sich nachträglich leicht entdecken, so dass sie nicht sehr verbreitet und damit auch volkswirtschaftlich nicht besonders schädlich sind. Außerdem kann es kaum im Interesse eines privaten Unternehmers liegen, dass seine Firma in Konkurs geht. Wäre die B-Fabrik eine Aktiengesellschaft, dann sähe aber alles ganz anders aus. Aktiengesellschaft bedeutet, dass Manager, die keine Besitzer des Unternehmens sind für das sie arbeiten, Unternehmen verwalten. So jemandem kann es nicht viel bedeuten, wenn er ein Unternehmen bzw. eine AG ruiniert, schon gar nicht in einer Vetternwirtschaft, in der er zuverlässig immer wieder eine neue Chance bekommt. Im Fall einer ruinierten AG hat auch eine Bank kein Geld verloren, sondern nur ihre Aktionäre. Wir können uns denken, was dann einem Menschen mit einer lockeren moralischen Einstellung einfallen könnte. Unsere Geschichte kann durch kleine Änderungen auch diesen Fall verdeutlichen.
Unser Bernie ist nun ein Manager, der an der privaten Eliteuni die neoliberale Markttheorie studierte und sowohl dort als auch in allen Kreisen mit denen er Umgang hat, auf eine sozialdarwinistische Einstellung getrimmt wurde. Kriminelle Energie wird als Beweis für persönliche Fähigkeiten und Leistungswillen gesehen. Dasselbe soll nicht für Bernie, sondern auch für seine drei Duzfreunde gelten. Am betrachteten Tag haben haben sie sich getroffen, um einander ihre „Leistungsfähigkeit“ unter Beweis zu stellen. Claus würde der Textil-AG die Rechnung für 101 Webstühle schicken, aber im laufenden Jahr würde er ihm nach wie vor nur 100 Webstühle liefern. Den nicht real existierenden Webstuhl würde man per Kredit finanzieren – alles wie schon oben gehabt. Bei der nächsten Versammlung der Aktionäre der Textil-AG würde Bernie überschwänglich verkünden, wie gut es dem Unternehmen ginge und dass sie in diesem Jahr neue Investitionen im Wert von 100 000 Euro tätigen wird. Die hat man vorerst mit einem Kredit finanziert, den die Banken durch den Verkauf von Aktien refinanzieren werden. Die Aktionäre sind begeistert und ahnen nicht, dass dem realen Kapitalwert der AG, der den realen Wert von 100 Webstühlen hat, ein nominaler Aktienwert von 101 Webstühlen entspricht. Kann man aber die Aktionäre so täuschen? Die Aktionäre und all diejenigen die es sein wollen sind, wie schon Adam Smith in seinem bahnbrechenden Buch Der Wohlstand der Nationen beschrieben hat, ordentliche Hohlköpfe, die von der Produktion weder etwas verstehen noch Lust dazu haben, etwas zu verstehen. Dadurch kann es auch den Banken und Börsen nicht schwer fallen dafür zu sorgen, dass das Verhältnis zwischen dem realen und dem nominalen Wert der AG weiter steigt, zum Beispiel: 100:103, 100:106, 100:112 usw. Die Differenz fließt in die Gehälter der Manager und Bankiers.
Durch immer brutalere Ausbeutung der Beschäftigten kann man eine Zeit lang die Dividenden erhöhen, so dass der Betrug mit den Aktien, die sich desto mehr vom realen Wert entfernen, je höher ihr nominaler (Börsen-)Preis ist, nicht auffällt. Irgendwann bricht das Kartenhaus aus Lügen aber doch zusammen, wie auch im Herbst 2008. Wir haben diesen Betrug durch Aktien schon näher beschrieben und weil ihm keine juristischen Hindernisse im Wege stehen, haben wir ihn als staatlich organisierte Plünderung der Bürger bezeichnet.(mehr…) In diesem Aufsatz geht es uns aber allein um die Frage, ob 100%-Money dagegen etwas ausrichten würde. Natürlich wird es das nicht. Der Verkauf der überteuerten Aktien hat mit Geldfälschung nicht im entferntesten Sinne etwas zu tun. Es handelt sich hier im Grunde um das schon längst bekannte und berüchtigte Schneeball– oder Pyramidensystem, das auch als Ponzi-Schema oder Ponzi-Spiel bezeichnet wird.
Wie wird ein Monopol auf die ökonomische Ressource Geld realisiert?
Uns geht es jetzt nicht um die allgemein bekannten unlauteren Machenschaften, mit denen Unternehmen ihre Konkurrenz zu verdrängen versuchen, konkret eine Bank die andere, sondern um das Monopol auf die ökonomische Ressource Geld. Die wichtigste Voraussetzung für die Errichtung eines solchen Monopols ist die Unabhängigkeit der Zentralbank. Nur eine solche kann die Geldmenge beliebig verknappen, so dass diejenigen, die Geld haben, ihre Zinsforderungen anheben können. Als Rechtfertigung für eine solche Praxis der Geldverknappung dient immer das altbekannte dumme Geschwätz von der drohenden Inflation. Das jedwede Lockerung der Geldmenge nichts Anderes als nur Inflation verursache, wird natürlich im Rahmen der neoliberalen Theorie nachgewiesen. Wie alles andere, was diese Theorie „beweist“, ist auch dieser Beweis nur dummes Zeug, eine Ideologie der Reichen bzw. der Geldbesitzer. Im Grunde ist die „Unabhängigkeit“ der Zentralbank bzw. ihre restriktive Geldpolitik ein Folterwerkzeug der neoliberalen Folterknechte für das Volk. Ohne sie wäre eine Zinsknechtschaft der Völker unmöglich.
Es gibt noch eine andere Möglichkeit das Geld zu verknappen, eine indirekte: Dem Staat wird verboten, sich direkt von der Zentralbank zu finanzieren. Das Ergebnis kann man auf der nächsten Grafik sehen.
Es ist eindeutig zu sehen, wie extrem die Staatsschulden nach der „Finanzkrise“ im Herbst 2008 angestiegen sind. Woher kam das? Haben die Regierungen in der EU auf einmal begonnen, das Geld mit vollen Händen unter den Völkern zu verteilen? Mitnichten! Der Zusammenbruch der Börsen und Banken war ein willkommener Vorwand der raffgierigen, rücksichtslosen und räuberischen europäischen Machteliten, dem Volk den Riemen noch enger zu schnallen und die Daumenschrauben noch fester anzuziehen. Wie konnten aber die Staatsschulden in einer so kurzen Zeit dermaßen zunehmen? Die Erklärung ist einfach.
Die EU-Staaten waren schon davor stark verschuldet. Auch das kam nicht ungefähr. Die Reichen haben sich mit Hilfe der korrupten Politiker seit drei Jahrzehnten immer mehr ihrer Steuerpflicht entzogen, so dass sich die Staaten für ihre nötigen Ausgaben immer mehr Geld von den privaten Banken leihen mussten. Sie mussten sich also das Geld, das sie zuvor den Reichen durch Steuersenkungeen nachgeschmissen hatten, von denselben leihen – mit Zinsen. Einerseits war das so, weil die unabhängige Zentralbank dem Staat das Geld nicht liefern wollte, und es andererseits nach den geltenden Gesetzen auch überhaupt nicht darf. Der Staat brauchte von den privaten Banken so astronomisch viel Geld, weil er nach dem Herbst 2008 immer mehr davon brauchte, um die Wirtschaft vor dem totalen Kollaps zu bewahren. Die privaten Banken haben sich das Geld von der Zentralbank fast ohne Zinsen ausgeliehen, es dem Staat weiter gereicht und dabei kräftige Aufschläge genommen. Manchmal peilte der Zins, schon sieben Prozent an. (Nebenbei bemerkt, das alles hat mit Zinseszins gar nichts zu tun, mit dem die Gegner des Zinses so gern schwadronieren bzw. exponetionalisieren, es hat einfach gesagt nur mit Zinserpressung zu tun. Die Zurückführung der kapitalistischen Krisen auf den Zinseszins ist auch nur ein Antikapitalismus der dummen Kerle.) Im Handumdrehen wurden die Banken nicht nur gerettet, sondern steinreich, die Völker Europas wurden ans Messer geliefert. Die Schuldenfalle, die für sie aufgestellt war, hat geschnappt. Die zukünftigen Generationen werden wie Sklaven schuften, um die Staatsschulden abzuzahlen, und dieses Geld wird in die privaten Konten der steinreichen europäischen Oligarchie fließen. Vorausgesetzt, die zukünftigen Generationen werden sich das gefallen lassen. Auch darüber haben wir an anderer Stelle schon mehr gesagt.(mehr…)
Es ist fast überflüssig zu sagen, dass auch bei diesem Problem der Staatsverschuldung und Zinsknechtschaft die 100%-Mindestreserve oder 100%-Money gar keine Abhilfe schaffen würde. Die ganze Idee ist ohne Übertreibung ein Fall von Realitätsblindheit mit finaler Geistesverwirrung. Sie entspricht nicht einmal dem Bild, unter der Laterne den Schlüssel zu suchen, den man anderswo verloren hat, sondern läuft darauf hinaus, unter der Laterne einen verlorenen Geldbeutel zu suchen, obwohl man eigentlich den Schlüssel anderswo verloren hat.
Abschließend fügen wir noch hinzu, dass trotz der kriminellen Machenschaften der Banken damit nicht gesagt ist, dass sie für die periodischen ökonomischen Krisen verantwortlich sind. Wie schon am Anfang dieses Aufsatzes bemerkt wurde, haben die ökonomischen Krisen ihre Ursache nicht in der falschen Funktionsweise des Geld- und Kreditsystems, sondern in den Konstruktionsfehlern der freien Marktwirtschaft. Die Finanzordnung des Kapitalismus, so wie wir ihn seit über zwei Jahrhunderten kennen, ist in der Tat der wichtigste Hebel der Macht einer kleinen Clique der Reichsten über die ganze Gesellschaft, die Ursache von Ausbeutung und Entrechtung, aber nicht die Ursache der Marktversagens. Natürlich muss man dieses kriminelle Finanzsystem gründlich ändern. Vor allem muss man die Unabhängigkeit der Zentralbank, der Mutter aller privaten Monopole, beenden. Die Zentralbank muss dem Volk und der Wirtschaft dienen, nicht den privaten Banken und den reichen Geldbesitzern. Man bräuchte so etwas wie eine demokratische Geldschöpfung und Geldmengenregelung, also eine vierte Gewalt in der politischen Gewaltenteilung. Dies wird heute schon gedacht und als Name dafür „Monetative“ vorgeschlagen. Ob diese Bezeichnung wirklich die glücklichste ist, darüber kann man streiten. Aber nomen non est omen.